Offener Brief an den Hauptgeschäftsführer des Rat für Formgebung
Sehr geehrter Herr Kupetz,
sehr geehrter Rat für Formgebung,
am 3. Dezember 2015 hatte ich überraschende Post im Briefkasten. Ihre Gremien und die Gremien des von Ihnen ins Leben gerufenen German Brand Institute haben mich für die Teilnahme am German Brand Award 2016 nominiert. Ein realisiertes Corporate Design habe »damit das Potenzial, einer der führenden Auszeichnungen für erfolgreiche Markenführung in Deutschland zu gewinnen«. Herzlichen Dank dafür!
Sie können sich sicherlich vorstellen, dass solch eine Nachricht aus dem Nichts für einen jungen selbstständigen Kommunikationsdesigner kein Alltag ist. Überaus geschmeichelt, von »höchster Instanz« nominiert worden zu sein, gingen die Zeilen Ihres Schreibens runter wie Öl. Denn »bereits [die] Nominierung [sei] eine Auszeichnung.«
Die Rückgabe der Nominierung
Nun wusste ich bereits von anderen Designwettbewerben, dass eine Teilnahme am Wettbewerb mit Kosten verbunden ist. So las ich mir also Ihre beigefügten Ausschreibungsunterlagen und Ihre AGB durch und kam zu der erschreckenden Erkenntnis, dass sich die Teilnahmegebühren auf 449 Euro belaufen und die Kosten im Falle eines Gewinns zwischen 3150 und 4450 Euro liegen.
Meine Nominierung habe ich online dennoch aktiviert – schließlich hatte ich den Eindruck, dass eine staatliche Instanz meine Arbeit prämieren möchte. Als ich den Irrtum bemerkte, haben Sie meinen Rücktritt von dieser Anmeldung äußerst kulant und pragmatisch akzeptiert. Vielen Dank dafür. Meine Nominierung konnte ich somit dankend stornieren und meine Marketingkasse schonen. Auch wenn mir nun glücklicherweise keine Kosten entstanden sind, stellen sich mir einige Fragen, deren Antwort mich brennend interessieren würde.
Ein Gewinn bei Ihnen wäre ein Verlust für mich
Ist es nicht seltsam, dass ich als selbstständiger Designer – und ich bin mir sicher, vielen meiner Kolleg:innen geht es da ähnlich – im Falle einer Nominierung bei Ihrem Designpreis lieber nicht gewinnen möchte? Gewiss, ich könnte an einem Designwettbewerb wie dem German Brand Award schlicht nicht teilnehmen. Dann muss ich folgerichtig auch nichts zahlen. Die Tatsache jedoch, dass ich aus heiterem Himmel von offiziell erscheinender Stelle für Ihren Award nominiert wurde, vermittelt eine zuckersüße Exklusivität, der man schwer widerstehen kann. Ganz nach dem Hollister-Prinzip: wir gestatten Ihnen Zutritt in den erlauchten Zirkel. Sie dürfen nun bei uns einkaufen. Herzlichen Glückwunsch!
Ich verstehe, dass die Organisation des Preises, die Gewinner-Gala, PR-Maßnahmen und geplante Publikationen irgendwie finanziert werden müssen. Was ich aber nicht verstehe: wo ist die Auszeichnung für die Designer:innen, wenn diese die Kosten für die Veranstaltung tragen müssen?
Wie Juli Gudehus in einer ähnlichen Diskussion vor knapp 10 Jahren bereits erkannte: »Schauspieler zahlen selbstverständlich nicht für den Oskar, Musiker nicht für den Grammy, Wissenschaftler nicht für den Nobelpreis. Dieser besteht sogar im Gegenteil aus einer hübschen Summe, mit der neue Forschungsvorhaben finanziert werden können. Und das soll bei Designern anders sein? Warum?« (Der Preis der Preise) Um die Frage fortzuführen: warum hat es sich gerade in der Kreativwirtschaft etabliert, für viele Wettbewerbe zu zahlen? Haben Sie als gemeinnützige Stiftung, die vor 60 Jahren vom Deutschen Bundestag ins Leben gerufen wurde, nicht vielmehr den Zweck, »die Allgemeinheit [der Designer:innen] auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern?«, wie es der Bundesverband Deutscher Stiftungen auf seiner Webseite schreibt? (Was ist eine Stiftung?)
Wer profitiert von den Einnahmen?
Sie kündigen an, »Marken und Markenmachern ein neuartiges kommunikatives Forum für ihre Leistungen zu bieten«. Letztlich »eine erstklassige Gelegenheit, mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen«, wie Sie es formulieren. Wie genau sieht diese mediale Aufmerksamkeit aus? Sie erreichen zwar über die sozialen Medien etwa 7000 Follower:innen, allerdings tummeln sich unter diesen offenbar sehr viele Designer:innen und wenig potenzielle Auftraggeber. Können Sie mir eine Auskunft darüber geben, ob es Designer:innen gibt, die von Ihrer Auszeichnung nachweislich ökonomisch profitiert haben? Können Sie mir Informationen über die Reichweite der Jahrbücher geben? Können Sie mir einen Überblick über den Widerhall Ihrer Pressearbeit geben, damit ich meine Investition überdenken könnte? Mir ist nicht ersichtlich, welche Leistungen ich bei Ihnen einkaufe. Ich kann daher nicht beurteilen, ob meine Marketinginvestitionen nicht woanders besser aufgehoben wären. Ein ausgesprochen wenig transparentes Angebot, das den Nimbus einer offiziellen Auszeichnung pflegt.
Designpreis oder Selbstmarketing?
Wenn ich es angesichts der enormen Kosten recht betrachte, beschleicht mich das Gefühl, dass es sich bei Ihrem und vielen anderen Designwettbewerben, nicht um einen Preis oder eine Auszeichnung handelt, sondern vielmehr um ein Gütesiegel, das man sich mit etwas Glück einkaufen darf, um anschließend »die Markenkompetenz wirkungsvoll und glaubwürdig zu kommunizieren.« Die Frage, die sich mir hierbei stellt: möchte ich meine Arbeit, die der Verbesserung von Prozessen und dem Finden von Lösungen auf Augenhöhe dient, mit einem Gütesiegel werben, das offenbar gegenläufige Werte vertritt? Und wäre ich nicht gut beraten, diese Marketinginvestition wesentlich effizienter in Bereiche zu investieren, die mir in meinen Unternehmungen unmittelbar etwas bringen?
Hätten Sie mir Ihr Produkt als German Design Label oder German Brand Label angeboten und nicht als Nominierung »von höchster Instanz«, ich hätte es mit anderen Augen betrachtet – und vielleicht anders bewertet.
Parallelwelt »Designpreise«
Es scheint mir, als ob in den letzten Jahrzehnten die Parallelwelt »Designpreise« entstanden sei, die oftmals mit der Wirklichkeit und den Bedürfnissen vieler selbstständiger Designer:innen und Designbüros, aber auch vieler Auftraggeber nichts mehr bzw. sehr wenig zu tun hat. Warum ist es nicht auch in der Designwirtschaft gängiger Standard, für die erbrachten Leistungen fair ausgezeichnet zu werden? An Sponsoren dürfte es doch eigentlich nicht mangeln?
Wie sie sehen, hat mich Ihr neuer Designpreis für erfolgreiche Markenführung nicht ganz losgelassen – obwohl ich meine Nominierung kostenfrei wieder zurückgeben konnte. Vielleicht betrachte ich einige Kritikpunkte zu eindimensional und Sie möchten mich korrigieren. Vielleicht können Sie mir einige meiner Fragen beantworten. An einer Rückmeldung wäre ich ernsthaft interessiert.
Mit den besten Grüßen aus Köln
Daniel Hyngar
UPDATE: 16.02.2016
Bereits einen Tag nach der Veröffentlichung des Briefes erhielt ich eine Mail des Geschäftsführers (Andrej Kupetz). Leider wurde inhaltlich auf keine meiner Fragen konkret eingegangen. Da mir nun die Erlaubnis vorliegt, Herrn Kupetz’ Mail zu veröffentlichen, füge ich sein Schreiben diesem offenen Brief bei.
Nach wie vor interessieren mich die Antworten auf meine Fragen zum German Brand Award, die leider immer noch unbeantwortet sind:
Sehr geehrter Herr Hyngar,
herzlichen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse am German Brand Award. Mit diesem Wettbewerb wollen wir Markenunternehmen sowie gleichermaßen Marken- und Designagenturen ansprechen und der Komplexität des Markenmanagements sowie der elementaren Bedeutung der Marke für den Unternehmenserfolg ein kommunikatives Forum bieten – ganz dem Leitmotiv unserer Stiftung verpflichtet: Markenmehrwert durch Design. Unsere Wettbewerbe differenzieren sich im Markt durch die Qualifizierung des Teilnehmerfeldes vor dem Beginn einer jeden Ausschreibung. Unsere Experten recherchieren, analysieren und bewerten permanent neue Entwicklungen in den Bereichen Markenführung und Design und sprechen dann Vorschläge für die Teilnahme aus. So sind wir auch auf Sie und Ihre hervorragende Arbeit aufmerksam geworden und haben Sie zur Teilnahme am Wettbewerb nominiert.
Unsere Auszeichnungen sind aus gutem Grund kostenpflichtig: Wir fühlen uns einem Designbegriff verpflichtet, der in der Lage ist, vor allem wirtschaftliche Werte zu schaffen. Wir vergeben keinen Kunst, Literatur- oder Theaterpreis, sondern vermarkten mit unseren Wettbewerben die kreativen und strategischen Leistungen der Industrie und ihrer wirtschaftsnahen kreativen Dienstleister. Die jeweiligen Gebühren für unsere Leistungen sind – wie Sie richtig schreiben – völlig transparent in den Ausschreibungsunterlagen und unseren AGBs dargestellt.
Und: der Auslober macht den Unterschied. Vielleicht kennen Sie uns noch nicht so gut, aber wir sind weder eine staatliche Institution, noch ein Designerverband. Initiiert hat uns der Deutsche Bundestag vor 65 Jahren mit dem Auftrag, die deutsche Wirtschaft in puncto Design exportfähig zu machen; gegründet hat uns – als Stiftung bürgerlichen Rechts – der Bundesverband der Industrie. In der Tat sind wir heute eine Organisation der Wirtschaft für die Themenkomplexe Markenführung und Design. Über 220 Mitgliedsunternehmen – vom Mittelständler bis zum Global Player – aus den unterschiedlichsten Branchen können wir heute zu uns zählen. Seien Sie versichert, dass diese Unternehmen sehr genau hinsehen, wer von uns ausgezeichnet wird; sind sie doch ebenfalls in die Nominierungs- und Juryverfahren involviert. Als Teilnehmer an unseren Wettbewerben können Sie von diesem Netzwerk profitieren.
Die Entscheidung, am German Brand Award teilzunehmen, kann ich Ihnen nicht abnehmen, ich bin aber davon überzeugt, dass die Argumente für uns sprechen. Probieren Sie es doch einfach aus und stellen sich dem Wettbewerb der Besten. Ich würde mich sehr darüber freuen und wünsche Ihnen viel Erfolg.
Sollten Sie noch weitere Fragen haben, stehen wir Ihnen für deren Beantwortung jederzeit gerne zur Verfügung.
Herzliche Grüße
Ihr
Andrej Kupetz